Unter Haartransplantation wird die Verpflanzung von Einzelhaaren, Haargruppen (Grafts) oder ganze Haarstreifen verstanden. Sie ist für viele von Haarausfall Geplagten die ultima ratio. Allerdings ist es gewissermassen auch die nachhaltigste Methode zum Wiedererlangen der einstigen Haarpracht. Meist kommt sie dann zur Anwendung, wenn alles Kaschieren nichts mehr nützt weil der Haarausfall soweit fortgeschritten ist, dass sich zusehends eine Glatze bildet. Die Indikation zu einer Haartransplantation dürfte somit in der überwiegenden Zahl aller Fälle aus kosmetischen Gründen gestellt werden. Wir geben Ihnen im folgenden einen Überblick über die verschiedenen Methoden der Haartransplantationen.
Einsatzbereich der Haartransplantation
Meist denkt man beim Wort Haartransplantation sofort an erblich bedingten Haarausfall (alopecia androgenetica) und in Wahrheit dürfte wohl effektiv die Mehrzahl aller Operationen in diese Gattung fallen. Freilich sind die Behandlungsmöglichkeiten aber nicht darauf beschränkt. Durch die voranschreitende Technik haben sich in den letzten Jahren die Einsatzbereiche erweitert, sodass die Eigenhaarwurzelverpflanzung heutzutage auch bei Alopecia triangularis congenita, ausgebrannter Form von Alopecia areata, Alopecia traumatica, vernarbender Alopezie, Rekonstruktion von Augenbrauen, Wimpernrekonstruktion nach Alopecia mechanica, Bartersatz nach Hasenschartenkorrektur und Ersatz von Schamhaaren herangezogen werden kann. Leider kann sie jedoch nicht bei Personen, welche an einer Autoimmunkrankheit oder entzündlichem Haarausfall leidenden, angewendet werden.
Geschichtlicher Exkurs
Bevor wir Ihnen einen näheren Überblick der verschiedenen Methoden im Bereich Haartransplantation geben, wollen wir einen kurzen geschichtlichen Ausflug machen: Haarausfall ist kein neuzeitliches Phänomen, wenngleich der ausgeprägte Sinn für Ästhetik in punkto Haare durchaus eine Modeerscheinung unserer Generationen sein mag. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt jedoch, dass bereits im 18. Jahrhundert von mehr oder weniger erfolgreiche Unterfangen zur Verpflanzung von Fellen bei Tieren und behaarten Hautpartien bei Menschen berichtet wird. Aufgrund fehlender chronistischer Aufzeichnungen kann gleichwohl davon ausgegangen werden, dass es diesbezüglich bis zum 19. Jahrhundert keine nennenswerten Durchbrüche gab. Erst 1939 beschrieb ein japanischer Dermatologe namens Okuda die Durchschlags- technik bzw. Punch-Methode der Haarverpflanzung. Mittels kleiner Durchschläge bzw. sogenannter Punches bewerkstelligte er erfolgreich, behaarte Hautteile von einem Bereich in einen anderen Bereich zu verpflanzen. Egal ob an der Kopfhaut, Augenbrauen oder an Schnurrbärten – an den verpflanzten Hautfetzen sprossen auch an der neubestimmten Position Haare. Der erste Meilenstein in der Haartransplantation war somit geschafft. Wenngleich Okuda dabei gar nicht an Lösungen für androgenetischen Haarausfall gedacht hatte. Denn seine Intention war ganz eine andere. Er wollte mittels seiner Technik Brandopfern mit entstellten Körperteilen helfen. Sein trivialer und zugleich beschränkter Einsatzbereich steht damit der heute typischen Anwendung bei vererbtem Haarausfall ziemlich konträr gegenüber. Die Techniken Okudas wurden darüber hinaus erst in den 60er Jahren durch Norman Orentreich vollends ausgelotet.
Die flächendeckende Behandlung mit Mini- bzw. Micrografts wie wir sie heute noch kennen wurde erstmals 1986 von einem Münchner Artzt namens Manfred Lucas auf dem „VII. International Congress of Dermatologic Surgery“ in London vorgestellt. Er war damit weltweit einer der Pioniere, welche dieses Verfahren propagierten.
Federführend in der Entnahme einzelner Haarfollikel, seines Zeichens bis dato die modernste komplett manuell betriebene Methode, gelten Angela und Ray Woods. Nach eigenen Angaben praktizierten sie diese Technik erstmals in den „early nineties“. Historisch streitig gemacht werden kann Ihnen diese Poleposition höchstens durch den Japaner Masumi Inaba. Von ihm liegen überlieferte Abschriften aus dem Jahr 1996 vor in denen er ein vergleichbares, ähnliches Prozedere zur Entnahme einzelner Haarfollikel deskribierte. Seit wann genau er diese Technik aktiv praktizierte ist allerdings nicht überliefert.
Wie auch immer die historische Abfolge exakt gelagert sein mag, Fakt ist, dass die Methode 2002 von W. R. Rassmann verfeinert und offiziell Follicular Unit Extraction (FUE) Methode getauft wurde.
Es gilt zu sagen, dass die verschiedenen Praktiken untereinander stark divergieren und kontrollierte Studien leider weitestgehend fehlen. Gleich ist allen Methoden, dass es für ein ansprechendes Endergebnis entscheidend ist einen möglichst natürlich wirkenden Haaransatz hinzubekommen. Und nun zu den verschiedenen Methoden der Haarverpflanzung im Detail:
Punch-Technik
Wie Sie weiter oben bereits erfahren haben ist die als Durchschlags- bzw. Punch- oder auch als Stanztechnik bekannte Methode die Älteste in der erfolgreichen Haartransplantations- Historie. Der Gründungsvater Dr. Okuda pflegte es seinerzeit mit 4mm Zylindern behaarte Hautteile von einem Bereich an einen anderen zu verpflanzen. Wie für die damalige Zeit nicht anders zu erwarten würden die Resultate dieser Tage wohl kaum einen Ästhetikpreis gewinnen. Die Transplantate erzeugten damals noch eher büschelartige, unnatürliche Ergebnisse – aber immerhin sprossen die Haare!
Streifenentnahme & Einsetzen von Mini bzw. Micrografts (MMG)
Die zweitälteste Methode ist heutzutage noch immer eine der Gängigsten und kommt rege zum Einsatz beim Thema Haartransplantation. Dabei wird aus dem Haarkranz ein Haarstreifen mit intakten Haarwurzeln entnommen. Dieser wird dann wiederum aufgegliedert in kleinere und mittlere Hautfetzen. Der Ausdruck Mini- bzw. Micrografts rührt von diesen Einzelhaaren bzw. Haarinseln. Im nächsten Schritte werden die Grafts dann in die zuvor präparierten Bereiche eingesetzt. Die ganze Prozedur wird sitzend und unter Lokalanästhesie durchgeführt. Abhängig von der Grösse der zu verpflanzenden Fläche dauert eine Sitzung zwischen drei bis neun Stunden, wobei das Meiste der Zeit für die Präparation der Transplantate drauf geht. Als entscheidender Nachteil dieser Methode ist hier sicherlich die mehr oder weniger sichtbare Narbenbildung am Haarkranz zu nennen.
Streifenentnahme & Einsetzen von follikularer Einheiten (FUI bzw. FUT)
Diese Methode stellt die Weiterentwicklung der Mini- bzw. Microcraft (MMG) Technik dar. Auch hier dient der Haarkranz als Spenderregion, wo ebenfalls ein Hautstreifen mit intakten Haarwurzeln entnommen wird. In Abgrenzung zur MMG-Technik wird dieser allerdings unter einem hochauflösenden Mikroskop in die natürlich vorhandenen Bündelungen des Haares (=Follikulare Einheiten) “aufgesplitet“. Diese Follicular Units (FU) werden dann in die vorher präparierten Partien implantiert. Als entscheidender Nachteil dieser Methode sind auch hier die mehr oder weniger sichtbare Narbenbildung am Haarkranz zu nennen.
Follicular Unit Extraction (FUE)
Diese Methode ist die derzeit angesagteste Praktik im Bereich Haartransplantation, die sich auf dem Markt durchgesetzt hat. Der Name Follicular Unit Extraction rührt daher, dass follikulare Einheiten (FU) extrahiert (E für Extraktion) bzw. entnommen werden. Aufgrund der evidenzbasierten Erfahrungswerte aus den Vorgängertechniken wusste man nämlich, dass die Haare nicht einzeln, sondern in natürlichen Gruppierungen wachsen, weshalb man diesen follikularen Einheiten (FU) fortan grössere Bedeutung beimass. Unter natürlichen Gruppierungen wird hierbei die ursprüngliche Bündelung der Haare in „Bouquets“ mit seinen naturbelassenen Haarwurzeln verstanden. Unter anderem auch abhängig vom Farbtypus (rot, braun, schwarz, blond) können die sogenannten Grafts ein bis in seltenen Fällen fünf Haare enthalten.
Auch bei dieser Methode dient in der Regel der Haarkranz als Spenderbereich. Die Haargrüppchen werden dabei mit einer Hohlnadel entnommen (E), zwischengelagert und später als follikulare Einheiten (FU) an einem anderen Bereich wieder implantiert. Die Prozedur läuft also in strukturierten Schritten ab. Zuerst werden sämtliche Transplantate entnommen, zwischengelagert und aufbereitet, um anschliessend in einem Schritt wieder implantiert werden zu können. Dies ist am speditivsten, da die Einzelhaarentnahme sonst schon mit einem erhöhten Zeitaufwand einhergeht.
Die beim Eingriff verwendeten Extraktions-Nadeln sind so filigran, dass sie Grafts in Proportionen von 0.5-1 mm entnehmen können. Bis zur Verpflanzung werden die Transplantate in einer Storage-Lösung zwischengelagert und einer Gesundheitsprüfung unterzogen. Das anschliessende Einsetzen der follikularen Einheiten (FU) in die kahlen Kopfareale erfolgt dann meistens mit einer Pinzette. Um am Empfängerareal die angestrebte Dichte zu erreichen ist es erstens wichtig die Hautschlitze eng genug zu ritzen und zweitens beim Einsetzen der Grafts den richtigen Winkel zu wählen. Hier liegt das besondere Augenmerk des Chirurgen.
Grosser Vorteil der FUE Methode ist sicherlich, dass sie sehr gewebeschonend ist. Die Entnahmestellen müssen nicht genäht werden, da die „Löchlein“ von den Hohlnadeln selbständig verheilen. Aufgrund der Tatsache, dass so gut wie keine Narbenbildung in der Spenderregion entsteht sorgt dies am Haarkranz sicherlich für das ansprechendere Resultat. Und obschon man seinen eigenen Hinterkopf nur im Spiegel sehen kann erklärt dies mitunter, warum diese Variante trotz erhöhtem Zeitaufwand und Mehrkosten von vielen Ästheten bevorzugt wird. Nach einer Operation kann es am Haarkranz in Folge des Heilungsprozesses zwar zu kurzzeitigen Verkrustungen kommen, aber bis auf kleineren Hautverfärbungen in Form von Punkten wird in wenigen Wochen nichts mehr übrig bleiben. Von blossem Auge sind diese jedoch kaum sichtbar und die punktvolle Maserung passt sich selbst bei einer Kurzhaarfrisur zwischen der verbleibenden Haare fast schon unsichtbar in die Topografie des Hinterkopfs ein.
Ein weiterer Vorzug der FUE Methode ist die Möglichkeit, dass man sogar Körperhaare transplantieren kann. Dabei muss allerdings die teils unterschiedliche Wuchslänge, Beschaffenheit und Farbdifferenz beachtet werden. Weshalb die Transplantation von Körperhaaren an den Kopf eigentlich nur zum Zug kommt, wenn das Spenderareal am Haarkranz zu dürftig ist.
Nachteil ist wie schon erwähnt die zeitintensive Einzelhaarentnahme. Der Arbeitsaufwand ist beachtlich, was sich auch in den Kosten niederschlägt. Inzwischen gibt es allerdings bereits maschinell betriebene Hohlnadeln mit automatischer Drehbewegung, die eine höhere Kadenz in der Haarentnahme ermöglichen. Um Beschädigungen an den Follikel Einheiten und dem umliegenden Gewebe zu vermeiden, kann aber auch hier die Geschwindigkeit nicht ins Unermessliche gesteigert werden. Durch das höhere Gewicht der Nadel und das grössere Risiko müssen auch diese Gerätschaften mit Bedacht eingesetzt werden.
Crosspunch
Bei Crosspunch geht es weniger um die Entnahme der Haare, sondern um das Einsetzen derselben. Es stellt also keine komplette Transplantations-Technik dar, weil es indes um den Stil des Einsetzens geht. Oberstes Ziel dabei ist es ein ästhetisch möglichst ansprechendes Behandlungsergebnis zu erzielen. Aus der Empirie ist mittlerweile bekannt, dass dafür bei der Implantation der Transplantate auch der Insertionswinkel berücksichtigt werden muss.
Angelehnt an die Wirkungsweise von lockigem Haar, welches von Natur aus die darunterliegende Kopfhaut schon relativ gut kaschiert, wird mit der Crosspunch-Technik versucht diesen optischen Vorteil auch für glattes Haar auszuspielen. Hierbei werden die Ritzen an den kahlen Stellen in minim gegeneinander verlaufenden Neigungswinkeln gezogen, sodass die Transplantate ebenfalls eine leichte Versetzung zueinander aufweisen. Auf diese Weise wird der Effekt, den lockiges Haar von Haus aus mit sich bringt, auch für glatte Haare ermöglicht. Selbstverständlich werden Chirurgen bei der Rekonstruktion der Haarlinie die natürliche Wuchsrichtung berücksichtigen, sodass die Crosspunch-Technik erst hinter dem Haaransatz eingesetzt wird.
Haartransplantationsroboter
Die Technik macht auch vor der Haartransplantations-Branche nicht Halt. Obschon die Anschaffungskosten und Lizenzgebühren nicht ohne sind findet die Robotik teils heute schon Anwendung in Kliniken. Der Vorteil der neuen Technologie im Bereich Haartransplantation liegt in der noch gewebeschonenderen Einzelhaarentnahme als bei der FUE Methode und damit einhergehender Narbenvermeidung. Zudem ist durch die computerbasierte Entnahme eine bessere Ausbeute der trächtigsten Haarfollikel möglich. Der Scan am Hinterkopf erlaubt es die vitalsten Grafts auf Anhieb zu identifizieren und damit die Anwuchsrate nochmals deutlich zu steigern. Solche Analysen schafft nur ein Computer. Die Technik ist jedoch noch nicht soweit ausgereift, dass auch das Einsetzen übernommen werden kann. D.h. der Akt des Verpflanzen findet nach wie vor manuell durch den Chirurgen statt. Wir dürfen allerdings gespannt sein, was das Rad der Zeit in Zukunft noch so für Neuerungen hervorzaubern wird.