Das Haarwachstum eines Menschen beginnt bereits als Fötus im Mutterleib. Denn schonzwischen dem zweiten und dritten Schwangerschaftsmonat bilden sich die ersten Haarfollikel. Das Haar ist also schon früh fester Bestandteil unserer Physis. Dies dürfte auch erklären, weshalb reger Haarverlust bei den meisten Menschen mehr als ein simples„Problemchen“ darstellt und zu Frustration, Scham, Minderwertigkeitskomplexen oder vergleichbaren Reaktionen führen kann. Wobei insbesondere Frauen teilweise massiv unter den ästhetischen Auswirkungen und ihren psychologischen Folgen zu leiden haben. Und trotzdem ist Haarausfall im Zuge des Lebenszyklus zunächst etwas völlig Natürliches, da es ein kontinuierlicher Vorgang ist.
Der Lebenszyklus von unseren Haaren: Haarwachstum und -ausfall
Ein Mensch verfügt abhängig von Typus, Veranlagung und Farbcharakteristik insgesamt zwischen 115‘000 und 175‘000 Haare am Körper. Wenn wir das Total auf die Körperregionen herunterbrechen fällt auf, dass die absolute Mehrheit der Haare auf dem Kopf wachsen, mit sehr weitem Abstand gefolgt von der Körperbehaarung und als Schlusslichter gesellen sich fast schon folgerichtig die Kleinstpartien Augenbrauen und Wimpern. Das faszinierende an dieser Tatsache ist jedoch der Umstand, dass Haare abhängig von der Körperpartie mit unterschiedlichem Tempo wachsen. Während beispielsweise unsere Kopfbehaarung alle drei Tage um durchschnittlich 1-1.2 Millimeter wächst, legen Wimpern, Augenbrauen und Körperbehaarung eine viel geringere Wachstumsgeschwindigkeit an den Tag.
Unabhängig der Wachstumsgeschwindigkeit der Haare aus verschiedenen Körperregionen unterliegt jedes einzelne der Haare auf unserem Körper einem sich stetig wiederholenden Lebenszyklus. Täglich wachsen uns neue Haare am Körper, während uns andere ausfallen. Dabei gliedert sich der Lebenszyklus eines jeden Haarfollikels in drei Phasen: 1. Die anagene Wachstumsphase, 2. die ketagene Übergangsphase und 3. Die telogene Terminal – bzw. Ruhephase. Wobei die Zyklusdauer je nach Mensch, Alter, Körperregion und Konstitutionskriterien wie Länge und Stärke des Haars variieren.
Gesundheit und Sensitivität des Haares
Die Gesundheit und Sensitivität unserer Haare steht und fällt an der Wurzel. Denn jedes Haar besteht aus einer Wurzel, die von einem Haarfollikel und einem oberhalb der Epidermis (=Oberhaut) ausgeprägten Schaft umgeben ist. Während in jeden Haarfollikel eine Talgdrüse mündet, vereinen sich jeweils flache Muskelfasern zu einem Haar. Die Papillarzone, die aus Bindegewebe und Blutgefässen besteht, wird umschlossen von der Haarzwiebel. Dem kolbenförmigen verdickten Ende des Haares, welches fest in der Haut verankert ist. Die Haarzwiebel stellt die eigentliche Wachstumszone des Haares dar. Denn in den von vielen Kapillaren gespiesenen Haarpapillen werden die für das Haarwachstum so essenziellen Nährstoffe produziert. Diese Region ist äusserst verwundbar und reagiert gegenüber Störungen jeder Art empfindlich, weshalb sich Haarprobleme oft auf schlechte Gewohnheiten zurückführen lassen. So können beispielsweise einseitige Ernährung über längere Zeiträume, hormonelle Verwerfungen, Infektionen, Stress, Toxizität (Vergiftungen), Blutarmut (Anämie) oder überschwängliches Benutzen von Färbemitteln und Haarspray in hoher Kadenz zu Schädigungen führen.
Neben diesen sichtbaren Schädigungen des Haares gibt es durchaus Anzeichen, die zukünftigen Haarausfall ankündigen. Dazu zählen etwa Schuppen, Juckreiz, übermässige Talgproduktion und schwächer werdendes Haar. Matchentscheidend ist es diese Vorboten rechtzeitig zu deuten und zu wissen, was zur Erhaltung des Haarbestandes bzw. zur Gesundung der in Mittleidenschaft gezogenen Haare zu tun ist.
Übermässigen Haarausfall kennzeichnet sich übrigens dadurch, dass Ihnen vermehrt grössere Haarbüschel auf dem Kopfkissen, im Kamm oder im Abfluss begegnen. Die Verringerung der Haardichte wird dabei meist von zunächst schwachem, feinerem oder dünnerem Haar begleitet, bis im Endeffekt an der entsprechenden Stelle gar keine Haare mehr spriessen.
Wie zeichnet sich Haarausfall bei Männern aus?
Wer kennt es nicht, das Phänomen? In Deutschland Geheimratsecken genannt, in Österreich als Hofratsecken bekannt und in der Schweiz als Ratsherrenecken in aller Munde. Bei 90% aller Männer über 20 Jahren lässt sich ein Rückgang des Haaransatzes im Schläfenbereich bzw. an der rechten und linken Stirnhälfte feststellen. Auch calvities frontalis, Alopecia praematura oder simplex genannt. Bei 50% aller Männer jenseits der 40er gesellen sich dazu noch kahle Stellen am Hinterkopf. Ironischerweise unter anderem auch als Kapuziner Tonsur bezeichnet.
Diese Formen der androgenetischen Alopezie im Schläfen- bzw. Stirnbereich und am Hinterkopf ist die weitverbreitetste Form der Alopezie und betrifft in mehr oder weniger ausgeprägter Form die Mehrheit aller Männer. Zur Einstufung der Ausprägung hat sich in der Branche folgende Skala durchgesetzt:
Klassifizierung nach Norwood-Hamilton
Doch woher rührt nun die androgenetische Alopezie? Bei dieser Form der Alopezie wird der Haarverlust durch das Hormon Dihydrotestosteron in Kombination mit dem Enzym 5-Alpha-Reduktase verursacht. Genauer gesagt mutiert das Enzym das Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT), welches seinerseits die Menge der Haarfollikel verringert und damit begünstigt, dass die Membranen der Kopfhaut kräftiger werden und letztendlich die Talgdrüsen mehr Talg an Haar und Kopfhaut abgeben. Auf diese kompliziert anmutende Weise reduziert sich die Struktur der Follikel und die nachwachsenden Haare werden immer feiner und schwächer. Mit jedem neuen Lebenszyklus verschärft sich die Grazilität, bis die Follikel irgendwann komplett absterben. In diesem Endstadium können ausfallende Haare nicht mehr durch nachwachsende Haare ersetzt werden. Womit nun auch abschliessend geklärt sein soll, weshalb Haarausfall in dieser Form nicht von heute auf morgen passiert, sondern ein über Jahre erstreckter und damit schleichender Prozess ist.
Die Forschung hat übrigens empirische Belege dafür, dass nicht der angehobene DHT- Spiegel selber das Problem darstellt, sondern vor allem die genetische Veranlagung dafür verantwortlich ist, den DHT-Spiegel ungünstig zu beeinflussen.
Was ist der typische Haarausfall bei Frauen?
In den vergangenen zwei Dekaden hat Haarausfall bei Frauen konstant zugenommen. Einerseits kann dies an der zunehmenden Bewusstwerdung und dem ganzen Ästhetik-Hype liegen. Andererseits kann es aber auch in zunehmendem Stress und Mangelernährung gründen, welche ihrerseits Haarausfall begünstigen. Wenn äussere Umstände ausgeschlossen werden können basiert Haarausfall jedoch mit ziemlicher Sicherheit auf inneren Ursachen wie Hormonschwankungen, Schwangerschaft und Eintritt in die Wechseljahre. In diesem Zusammenhang gibt es bei Frauen zwei kritische Phasen:
- Während der Schwangerschaft und nach der Niederkunft gerät der Hormonhaushalt oft aus dem Ruder. Diese Unregelmässigkeiten sind in der Regel vorübergehender Natur, sodass auch der Haarausfall nur eine temporäre Erscheinung ist. Bis sich die Normalität wieder einpendelt können allerdings sechs bis zwölf Monate verstreichen. Deshalb empfiehlt es sich punktuell durchaus prophylaktisch eine Behandlung anzusetzen, um die Haarzwiebel gezielt zu stärken und vorzubeugen, dass sich die Haarpapille schliesst. Wenn darüber hinaus markant anhaltender Haarausfall existiert sollte unbedingt ein spezialisiertes Institut aufgesucht werden, um eine chronische Erkrankung auszuschliessen.
- Ein anderer neuralgischer Punkt ist der Eintritt in die Wechseljahre, denn dort kommt es unwillkürlich zu hormonellen Schwankungen. Zwischen dem 45. Bis 50. Lebensjahr widerfährt jeder Frau ein Rückgang des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen, währenddessen parallel dazu die, bis zu diesem Zeitpunkt, nur marginal angesprungene Produktion der männlichen Geschlechtshormone, hochgefahren wird. Das degressive Verhalten des Östrogen- in Kombination mit dem progressiven Verhalten des Testosteronspiegels im Laufe der Jahre erklärt, warum es in der Folge wie bei den Männern zu einer Schwächung der Haarfollikel und letztendlich zu Haarausfall kommt.